Mittwoch, 15. Juli 2015

Der Namenlose V ~ Veramon & Zacrolon

Nein, noch kann ich denken. Der Schmerz hat aufgehört und ich spüre nichts mehr. Keine Kälte, keine Wärme, keinen Schmerz und auch sonst absolut nichts. Ebenso all meine anderen Sinne scheinen versagt zu haben. Ich kann weder sehen, noch hören, weder fühlen, noch riechen, ich habe keinerlei Empfinden mehr. Das Nichts umgibt mich. Blind und entsinnt verharre ich, bin zu nichts weiterem befähigt als meinem inneren Bewusstsein. Ich kann denken, doch nichts wahrnehmen. Ist dies das Leben nach dem Tod? Werde ich nun für den Rest der Ewigkeit einfach ein Fetzen von Gedanken sein, der irgendwo durch eine endlose Finsternis schwebend auf das Ende aller Zeiten wartet?
Oder bin ich doch noch lebendig und etwas anderes ist für diesen meinen Zustand verantwortlich?
Ich bin gestorben. Ich bin mir sicher, dass ich gestorben bin. Denn ich habe gespürt, wie ich bei lebendigem Leibe von den Körperlosen gefressen worden bin. Sie haben mein Fleisch und meine Organe zerstört. Wahrscheinlich sind meine sterblichen Überreste mittlerweile nichts weiter mehr als ein Haufen blutiger Knochen, an denen vielleicht noch einige Fleischreste kleben. Das letzte Zeugnis meiner Existenz.
Es war ein qualvoller Tod. Dennoch bin ich froh, dass ich so rasch mein Bewusstsein verloren hatte.
Aber halt! Allmählich spüre ich doch etwas! Mein Rücken fühlt sich kühl und feucht an, überdies spüre ich einen ebenso kühlen und feuchten Windzug über meinen Oberkörper wehen. Bin ich doch nicht gestorben? Wurde ich doch nicht aufgefressen? War dies nur eine alptraumhafte Illusion?
Jedoch frage ich mich, wo ich mich nun aufhalte. Wo bin ich?
Es ist kühl, aber nicht kalt. Allmählich erlange ich wieder die Fähigkeit zu atmen. Kein widerwärtiger faulender Gestank, sondern eine frische und reine Luft ist es, was ich mit meiner Nase wahrzunehmen vermag. Auch ist die Luft nicht kalt und trocken, wie noch zuvor, als ich aus dem schwarzen Fluss zum unendlichen Weiß tauchte, sondern weniger kalt, eher kühl und feucht.
Höre ich? Höre ich tatsächlich, wie der Wind durch meine Umgebung hindurchweht? Ich vermag aus meiner unmittelbaren Umgebung ein seichtes Racheln zu vernehmen, ich höre den verschwommenen tiefen und unauffälligen Klang des Windes, mit diesem leichten spitzen Knistern, wie es doch so typisch für den Klang des Windes durch Wälder ist.
Auch das Gefühl im Rest meines Körpers kehrt wieder, nicht zuletzt auch in meine Hände. Ich ertaste den Boden, auf dem ich liege und spüre unzählige weiche, längliche und hauchdünne Strukturen. Ist das Gras? Es fühlt sich an wie Gras. Es muss Gras sein! Und ich hoffe, dass es Gras ist. Ich flehe darum, dass dieser Alptraum endet und ich wieder in der von mir gewohnten Welt erwache.
Meine Augen sind geschlossen. Ich wage es, sie zu öffnen und sehe... den Himmel!
Grauweiße Wolken hängen schwer in der Höhe und bedecken das gesamte Firmament. Das Licht ist weder dunkel, noch hell. Ebenso, wie es schwer einzuschätzen ist, ob die Wolken Regen hinabfallen lassen wollen, scheint das Licht sich nicht zwischen hell, oder dunkel entscheiden zu können. Die Welt um mich herum verharrt im Zwielicht.
Ich richte mich auf und prüfe erst, ob es an meinem Körper irgendwelche Verletzungen oder Zeugnisse dessen gab, wie ich gestorben zu sein schien.
Doch es ist alles bei bester Ordnung. Keine einzige Verletzung, keine Kratzer, keine Bisswunden. Mein Körper ist unversehrt.
Nun, wissend, dass all meine Erlebnisse der vergangenen Stunden wohl nichts weiter waren, als ein Alptraum, betrachte ich meine Umgebung und versuche mich wiederzufinden. Ich will nach Hause und einfach nur alles vergessen, was ich erlebt habe. Ich hinterfrage gar nicht erst, wie ich an diesen Ort gelangt bin. Ich will einfach nur weg.
Zu meiner rechten Seite erkenne einen überschaubaren See. Fast schon mehr ein großer Teich, statt eines Sees. Das Ufer ist in nur knapp drei Armlängen weit von mir entfernt. Schilf und allerlei anderes Seegewächs schmückt die Gestaden. Ich befinde mich am Hang eines größeren Hügels, der von einer Wiese bedeckt ist. Vor mir erhebt sich in etwas größerer Entfernung ein Waldgebiet, doch das restliche Gebiet wird von einer hügeligen Graslandschaft geprägt.
Ich stehe auf, erleichtert, dass ich wieder in der Welt der Menschen zu sein scheine. Was waren das doch bloß für Ausgeburten kranker Fantasien eines wahnsinnigen Schriftstellers! Ein Alptraum. Nur ein ausgedehnter und schrecklicher Alptraum.
Um auch zu erfahren, was auf der dem Wald gegenüberliegenden Seite vorzufinden ist, drehe ich mich um. Bei dem, was ich nun erblicke, verschlägt es mir die Sprache, all meine Erleichterung verfliegt instantan. Noch immer bin ich in diesem Wahnsinn gefangen!
In weiter Ferne schließt sich an die Hügellandschaft ein rieseiges Areal an, welches von schwarzen Wolken bedeckt wird. Rote Blitze schlagen in unnatürlich häufigen Intervallen durch die Wolken und hinab auf den Boden. Ein ganz und gar dystopisches und finsteres Bildnis. Doch das ist noch das harmloseste, was ich sehe. Denn es erheben sich gewaltige Berge menschlichler Leichen. Leblose Körper regnen unentwegt aus den schwarzen Wolken herab und klatschen heftig auf die nackten und bereits entstellten Leiber unter sich, welche sich unlängst zu einem gewaltigen Gebirge angehäuft haben, welches den gesamten Horizont füllt. Und wenn ich es aus der Entfernung richtig sehe, so fehlt jedem dieser Körper der Kopf. Ungerne erinnere ich mich an den Regen der schreienden Köpfe zurück. Jetzt weiß ich wenigstens, wo ihre Körper verblieben sind. Eigentlich will ich das gar nicht wissen.
Verflucht! Wieso bin ich immer noch hier? Habe ich nicht schon genug durchlitten?
Meine Muskeln spannen sich, die Verzweiflung tränkt meine Sinne, meine Frustration treibt Wut, und meine Wut treibt Tränen hervor.
Kniend lasse ich mich auf den Boden fallen, schlage in das Gras hinein, blicke dem Himmel entgegen und schreie. Ich schreie all meine Gefühle hinaus. Schreie vor dem Entsetzen und meinem Unvermögen diesen Fluch auch nur eine Sekunde länger zu ertragen.
"WARUM? WAS WILLST DU VON MIR, DÄMON? WIESO HAST DU MICH HIERHER GEBRACHT?", brülle ich mit all meiner Kraft in den Himmel, mehr aus dem Grund mein Verzweifeln zu entladen, als aus der Hoffnung darauf je eine Antwort zu erhalten. Ich bin hier Gefangen und der schwarze Dämon genießt es mich zu quälen.
Als ich meinen Kopf wieder senke, um mir die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, entdecke ich zu allem Überfluss den offenbar toten Leib einer jungen Frau zu meiner linken Seite am Ufer liegen.
Verdreckt, und im Ufergewächs teils versteckt liegt der leblose Körper ausgestreckt halb im Wasser und halb auf dem verschlammten Boden. Es kostet mich nicht viel Zeit, um zu erkennen, dass es wieder jene schwarhaarige Frau ist, welche mich zuletzt mit ihrer Gegenwart quälte. Diesmal jedoch ist ihr Haupt ohne irgendwelche Spuren, dass es je abgetrennt worden war, an ihrem Hals verwachsen.
Im Schein des Zwielichtes erkenne ich nun zum ersten mal ihren leichenblassen Hautton. In ihre Augen wage ich es nicht zu blicken. Ihr Gesicht liegt ohnehin seitlich von mir abgewandt auf dem Boden, ebenso wie ihr gesamter Körper mit seiner Vorderseite dem schlammigen Untergrund zugewandt ist. So wie sie dort daliegt, würdelos mit einem Teil ihres Körpers vom Schlamm bedeckt, beginne ich Mitleid für sie zu empfinden. Niemand hat solch ein grausames Ende verdient. Niemand. Auch nicht ich. Doch mein Empfinden für Gerechtigkeit scheint nichts an meinen Umständen auch nur ansatzweise etwas zu verändern. Und ich naiver Idiot hatte tatsächlich geglaubt, dass ich aus dieser Hölle befreit worden wäre. Welch eine Torheit!
Es bringt jedoch nichts weiter den Dämon und sein Schattentheater zu verfluchen. Meine Gefühlsausbrüche bringen mich nicht weiter. Ich muss mich wieder besinnen. Und so wische ich mir die letzten Tränen aus dem Gesicht, nehme einen tiefen Atemzug der frischen und natürlichen Luft, richte mich auf und wende mich dem Gipfel des Hügels entgegen. Vielleicht erhalte ich weitere Anhaltspunkte, wenn ich einen besseren Überblick über das Gelände bekomme. Versuchen will ich es jedenfalls. Wer weiß, welche Überraschungen noch auf mich lauern.
Ich lasse den See und die junge Frau hinter mir, vermeide es zum Leichengebirge zu blicken und stampfe durch das satte grüne Gras hinauf. 
Etwas seltsames vermag ich während meines Aufstiegs an den Fraben des Himmels zu vernehmen. Es scheint, dass sich die grauen Wolken nach und nach auflösen, je weiter mein Blick über den Hügel sehen kann. Der Himmel, der von den Wolken verdeckt wird, ist jedoch nicht blau, sondern schwarz. Schwärzer als die Nacht. Der Übergang zwischen den Wolken und dem finsteren Himmelsteil ist fließend. Eine gewisse Furcht macht sich in meinen Eingeweiden bemerkbar. Eine Furcht vor einem neuen Schrecken. Ich weiß nicht, wie viel ich noch aushalten kann. Das, was ich bisher erlebt habe, kann ich schon kaum verarbeiten. Doch Stillstand bedeutete die ewige Gefangenschaft, vielleicht sogar meinen endgütligen Tod. Irgendetwas musste ich ja unternehmen, um wenigstens zu versuchen einen Ausweg aus diesem Labyrinth des Schreckens zu finden. Ich muss mich und meine Ängste überwinden, ich muss weiter voran schreiten!
Erleichterung kehrt ein. Ehrfurcht und nicht die Furcht ist das, was ich bei dem Panorama, das sich vor meinen Augen nun ausbreitet, empfinde. Meinen Augen möchte ich kaum trauen.
Vom Gebirge aus kopflosen Körpern zu meiner linken, bis hin zum Wald auf meiner rechten Seite, erstreckt sich ein gewaltiges schwarzes Gebilde, das sich - am Fuße des Hügels beginnend - bis in den Himmel hinauf erstreckt. Das verblüffende und zeitgleich überaus imposante daran ist die konkrete Struktur des Gebildes. Vom Himmel aus entspringen wurzelartige Gebilde, wie die Wurzeln eines Baumes, doch derart gewaltig, dass dies kein natürliches Werk sein kann. Überdies sind die Wurzeln nicht braun und hölzern, sondern wie von Feuer verkohlt. Hell in feurigem orange-gelb ziehen sich pulsierende Linien an den obskuren Wurzeln zum Zentrum des gesamten Gebildes hin, als wären es die Adern eines Lebewesens. Diese Wurzeln führen zu einer riesigen hölzernen Wand. Nein mehr noch: Es ist eine durchgängige und lückenlose Mauer, ebenso von verkohlter hölzerner Struktur und von diesen feurigen Adern durchzogen. Und inmitten dieser Mauer erstreckt zentral ein ungemein riesiges Loch, wie eine Art Portal, oder Tor, welches am direkt am Ende Hügels mündet. Eine wahrhaft atemberaubende und mächtige Gestalt, welche bei weiterem Nachdenken jedoch die Sorge säht, welche Funktion es haben könnte. So scharf und konrastreich, fast wie ein Riss in der Realität - sofern ich diesen Alptraum Realität nennen kann, grenzt es sich von allem anderen an diesem Ort ab. Ich kann nichteinmal spekulieren wohin das Tor führt, welches sich in diese abnorme Perversion eines Baumes gepflanzt hat. Doch irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich genau dort hin muss. Irgendetwas zieht mich dorthin. Ich komme nicht umhin zu denken, dass ich dort Antworten auf Fragen finden werde, die mich schon seit meiner ersten Begegnung mit dem silber-weiß gezahnten Dämon zerreissen. Wirklich befremdlich, wenn ich bedenke, dass der Anblick eher unheilvoll und furchterregend, statt einladend und willkommend ist.
Ich nehme den mir verbliebenen Mut zusammen und gehe voran, den Hügel hinunter, in den Schlund des toten Baumes hinein.

Wenig Zeit vergeht, ehe ich vor der Pforte stehe und in ein gewaltiges schwarzes Nichts hineinblicke, wie schon so oft in dieser verzerrten Realität. Wenngleich ich zaghaft bin und es nicht überstürze die Schwelle hinein zu übertreten, steht der Entschluss für mich fest, mich an diesen Ort zu begeben. Ein letztes Mal noch blicke ich zurück auf den Hügel mit seinen satten grünen Weiden, von dem ich gekommen war und erhasche ein letztes Mal noch den Anblick der zwielichten, grauweißen, regenschweren Wolken, die das Firmament bedecken. Dann konzentriere ich mich wieder auf den finsteren Pfad vor mir und schreite durch das Tor hindurch.
Meine Schritte hallen in dieser lichtlosen Schwärze wider, als würde ich eine Kathedrale betreten. Es hat keinen Sinn nach einem Orientierungspunkt für meine Bewegungen zu suchen, da ich hier ohnehin nichts sehen kann. Also verlasse ich mich auf das Echo, das durch diese unendlich scheinende Leere hallt und gehe weiter, solange ich den festen Boden unter meinen Füßen spüre.
Ich verstehe nicht, was es ist, aber irgendetwas treibt mich weiter voran, immer weiter vorwärts, hinein in die endlose Dunkelheit. Es ist so, als ob mich etwas riefe.
Nach einer Weile bleibe ich stehen und versuche einen Lichtschimmer aus der Richtung zu erhaschen, aus der ich gekommen war. Doch ich sehe nichts. Ich bin bereits zu sehr in die Dunkelheit hineingetaucht. Unwissend, ob dieser Ort nicht vielleicht sogar auch in der Lage ist die Gesetze der Physik zu beugen, und mich daher nicht sogar absichtlich in eine orientierungslose Irre führt. Vielleicht ist der Schlund dieses Baumes doch nur eine Falle und ich bin auf eine Art Lockruf hineingefallen.
Ich beschließe in die Leere hineinzurufen: "Hallo? Ist hier jemand?" und warte ab.
Wenige Sekunden später werde ich mit einer Antwort überrascht. Eine tiefe und laute Stimme ertönt, sie klingt fast wie die eines Mannes, doch unnatürlich tief, sie sagt lediglich: "Ja."
Eine Gänsehaut durchfährt mich und ich versuche hektisch auszumachen, woher diese Stimme stammt. Jedoch scheint es mir, als ertönte die Stimme aus allen Richtungen gleichzeitg, als wäre sie allgegenwärtig. So nah bei mir, aber doch nicht da.
"Wer bist du?", frage ich.
Plötzlich saust ein schmaler blauer und elastischer Streifen aus Licht vor meinen Augen durch die Luft und umkreist mich in einem rasanten Tempo, ehe er wieder im Nichts verschwindet. Ohne es laut auszusprechen, fragte ich mich leicht erschrocken, was das wohl gewesen sei.
"Ich bin der, der die Wahrheit kennt.", antwortet mir die scheinbar quellenlose Stimme.
"Welche Wahrheit?", erkundige ich mich verwundert und erwarte wieder ein Aufblitzen irgendeines ominösen Lichtes.
"Jede.", ist die knappe Antwort, welche mich nur umso mehr rätseln lässt. Doch vielleicht darf ich es wörtlich nehmen. Wenn er, oder es, tatsächlich jemand ist, der die Antworten auf meine Fragen kennt, lag ich mit meinem Gefühl hierher zu kommen richtig. 
Diesmal blitzte kein Licht durch die Finsternis.
"Dann sag mir, wo bin ich?", eine der Fragen, die mir am wichtigsten ist.
Blitze durchbrechen auf ein mal die Finsternis, dies kam wieder unerwartet. Unzählige bläuliche Lichtstreifen zischen schier planlos an mir vorbei und versammeln sich an einem Fleck, an dem sie sich zu einer Art Kugel zusammenfinden, welche zappelnd wirkt, aufgrund der vielen Bewegungen jedes einzelnen Lichtblitzes. Ich versuche zu verstehen, was es damit auf sich hat und beobachte weiter, fokussiere meine Konzentration jedoch auf die Worte der Stimme, welche kurz darauf wieder ertönt: "Du bist dort, wo die Existenz mit der Nichtexistenz zusammenfällt. Du bist da, wo alles zu Nichts wird und wo das Nichts den Anfang von Allem legt."
Ich hätte nicht so naiv sein dürfen zu hoffen, dass seine Antwort mich von meiner Verwirrung und Unwissenheit erlösen würde. Diese Antwort sorgt nur für mehr Kopfzerbrechen.
War dies eine Art Zwischenwelt? Eine Existenzdimension, welche nach dem Tod kommt? Fragen über Fragen fluten mein Gehirn, aber wenigstens ist hier nun ein Geschöpf, welches mir Antworten geben kann. Ich zügle die Ströme meiner Gedanken und stelle die nächste Frage, die mir wichtig ist:
"Wieso bin ich hier?", ich richte meine Worte an die flimmernd blaue Kugel, als würde sie die Stimme sein.

"Weil er dich hergebracht hat, um dich hier vernichten zu können. Hier bist du nur ein Opfer, eine Marionette in seinem Spiel. Du bist machtlos und deine Existenz liegt in seiner Hand."
Mit "er", meint die Stimme wahrscheinlich das dämonische Geschöpf, welches mich in diese Dimension brachte.
"Wer ist er?", frage ich und werde von einer Explosion aus Licht überrascht. Die Lichtstreifen, welche die Kugel zuvor noch darstellten, entfernen sich innerhalb weniger Sekundenbruchteile weit von mir weg, bis sie nach wenigen Augenblicken nicht mehr zu sehen sind. Doch die Stimme antwortet mir weiterhin:
"Er ist der erste Schatten. Er ist Wut, Zorn und Hass. Er ist Rache und Vergeltung. Er ist Qual und Verzweiflung. Er ist der Schlächter der Zeit, das Ende von Allem. Er ist der Moment des Sterbens, das ewig hungrige Biest, welches Löcher in Existenzen frisst. Sein Name ist Zacrolon und du bist sein Schöpfer."

Zacrolon, das ist also der Name des Dämons. Ein offenbar überaus mächtiges Wesen. Wie die Stimme ihn beschreibt stiehlt es mir die Hoffnung ihn jemals besiegen und aus dieser Verdammnis fliehen zu können. Doch ich soll sein Schöpfer sein? Ich entsinne mich, dass Zacrolon mir sagte, er sei ich und nicht sein Schöpfer. Wie soll ich das verstehen? Was hat das zu bedeuten?
"Wenn sein Name Zacrolon ist, wie ist deiner? Du scheinst mir auch ein Wesen großer Macht zu sein.", ich ahne schlechtes.
Plötzlich schossen wieder die Lichtblitze aus der Dunkelheit hervor, versammelten sich wieder an einem Fleck, diesmal jedoch vereinten sie sich nicht zu einer Kugel, sondern zappelten nach oben gerichtet vereint um einen Fleck zentriert herum, als wären sie ein Feuer.
"Veramon. Dies ist der Name, den du mir gabst. Ja, auch ich bin eine Kreatur, die du geschaffen hast."
Das Wesen wusste, was ich ahnte. Es scheint, als würden alle Dinge, die um mich herum an diesem Ort geschehen auf irgendeine unverständliche Art und Weise durch mich hervorgerufen worden zu sein. Ich beabsichtige noch nicht zu ergründen, wie genau meine Rolle in diesen abstrusen Zusammenhängen ist, sondern stelle zunächst eine weitaus wichtigere und naheliegendere Frage, die mir auch helfen würde mehr zu verstehen:
"Warum will er mich töten?"
Einige der blauen Lichtfäden begannen sich violett, fast schon rot zu verfärben und verleihen nun umso mehr den Eindruck von Feuer. Ist dies Veramons Gestalt?
Doch seine Stimme ertönt nach wie vor aus allen Richtungen gleichzeitig:
"Weil du vergessen hast."

"Was? Was habe ich vergessen?", reagiere ich spontan.
"Deinen Namen", gibt mir Veramon zu verstehen und zeitgleich verfärben sich auch die letzten blauen Streifen über ein Violett hinweg zu einem kräftigen Rot.
"Meinen Namen? Aber ich kenne doch...", ich halte inne. Ich Narr war die ganze Zeit so besessen davon zu erfahren, wo ich hier bin und weshalb ich hier bin, dass ich nicht einmal wirklich darüber nachdachte, wo ich herkam! So sehr ich mich auch anstrenge, mir will mein Name nicht einfallen! Wie kann ich bloß meinen Namen vergessen? Wie ist das geschehen? Wie ist mein Name? Wer bin ich?
Ich erinnere mich an die junge Frau, auch sie fragte mich danach, wer ich sei, doch ich konnte nicht antworten. Über eine Antwort habe ich nicht einmal nachgedacht.
Allmählich ergeben meine Hinweise ein klareres Bild. Habe ich eine Art Gedächtnisverlust erlitten? Wie kann ich vergessen jemand derart mächtiges zu sein, dass ich gar solche grausamen Kreaturen erschaffen kann? 
Veramon ergreift plötzlich das Wort: "JA! WIE KANNST DU ES NUR VERGESSEN?!"
Seine Stimme klang gewaltig laut und höchst erzürnt, die nun roten Lichststreifen wuchsen rasant in die Höhe und die Art und Weise, wie sie umherflackerten zeichnete durch den Wechsel aus Licht und Dunkelheit eine Fratze ab. Ich erschrak mich im selben Moment. Die Form des Bildnisses erinnert mich stark an Zacrolon, oder zumindest an das, was ich damals an ihm erkennen konnte. Und doch hatte es seine Eigenheiten. Es war viel schmaler und langezogener als Zacrolons Kopf. War dies das wahre Gesicht Veramons? 
"UND AUCH ICH WILL DICH TÖTEN!", schrie Veramon hinaus. Ich hätte nicht herkommen dürfen! Es war eine Falle! Ich habe es gewusst und mich dennoch hierher begeben! Ich Tor! Ich elender Narr! 
Die Leuchtfäden verwandelten sich schlagartig in wahrhaftige Flammenspitzen, ich war nah genug, um die Hitze zu spüren, die sich durch das Nichts ausbreitete.
Ich muss hier weg! Das ist mein einziger Gedanke. Ich dreh mich um und renne ziellos in die Dunkelheit, um möglichst viel Distanz zwischen mir und den Flammen Veramons zu schaffen.
Doch dann schießen plötzlich auch Flammen vor mir aus dem Boden empor und halten direkt auf mich zu. Ich weiche aus, ändere meine Richtung und wieder versperren mir emporschießende Flammen den Weg und verfolgen mich. Und wieder weiche ich aus und wieder ändere ich meine Richtung und wieder versperren mir Flammen den Weg. Es gibt kein entkommen, ich bin eingekerkert!
Ich wende mich zu meiner Rechten und sehe mehrere langgezogene, speerartige Feuerspitzen geradewegs und unaufhaltsam auf mich zuschießen.
Ich brenne.




by
Lupus Terre



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