Freitag, 9. September 2011

Hinter dem Vorhang


Blaugrün schimmert es hindurch. Das Licht. Und davor stehen sie. Die Gestalten. Jeder von ihnen mit dem Rücken zu mir. Ich an der kalten Wand kauernd, unbeteiligt.
Mit dem Rücken, stehen sie zu mir.
Ich starre von dem hölzernen schmutzigen Boden hinauf. Hinauf in das Licht.
Das Licht,
das blaugrün hindruch schimmert,
durch den schweren Vorhang wirkt es, als würde da draußen noch etwas sein.
Als wäre dort etwas, was ich nicht kenne.
Der Vorhang verhüllt die Welt, die vor mir liegen könnte, verhüllt mich und meine Existenz, versteckt sie in seinem Schatten. Nur selten das Licht hindurch schimmert. Und wenn, so werde ich nie darin getränkt, und kann es nicht festhalten, es entflieht mir.
Hinter dem Vorhang kauere ich auf dem schmutzigen hölzernen Boden an der kalten Wand, und Splitter bohren sich durch mich. Das Blut drängt sich auf meine Haut und verfärbt die Wand rot.
Der Schlag meines Herzens eine Illsuion nur ist und auf dem Boden bildet sich eine Pfütze, die Wand mit meinem Blut verschmiert. Und vor mir stehen sie, die Gestalten, mit dem Rücken zu mir, in das Licht starrend, das durch den Vorhang schimmert.
Es interessiert sie nicht, und es interessiert mich nicht.
Allmählich der Vorhang sich öffnet.
Meine müden Augen erblicken, was der Vorhang verschloss: Eine Dunkelheit, eine Leere.
Ein Saal, der vollkommen deplaziert zu sein scheint, denn etwas fehlt. Es fehlen die Gefühle, es fehlen die Menschen, es fehlt die Hitze, es fehlt der Radau. Er ist leer und ungeliebt. Ein Loch in der Existenz.
Doch so ungewohnt und so verschieden ist das, was vor dem Vorhang liegt, nicht so sehr, von dem, was sich hinter ihm verbarg.
Auch hier, auf diesem hölzernen Boden, der trotz des Blutes, mit dem er sich tränkte, wieder farblos wurde, ist es leer und dunkel. Ich vegetiere im Schmutz und in der Abwesenheit jeglichen Miteinanders.
Wo kam das Licht her?
Plötzlich die Gestalten lachen. Jeder von ihnen stößt ein spöttisches und arrogantes Lachen aus.
Ich sehe hinauf. Und sehe kein Licht.
Aus meinen Augenwinkeln sehe ich, wie sich die Gestalten bewegen. Sie lachen und singen, doch sie kehren mir nur den Rücken zu.
Ich beobachte sie und die Zeit vergeht. Eine Ewigkeit scheint es mir und unermüdlich bewegen sich die Gestalten und sie lachen und sie singen.
Und dann, mit einem Mal, bleiben sie stehen.
Wieder stehen sie mit dem Rücken zu mir und stehen still.
Applaus, ist das, was ich als nächstes vernehme.
Aus der Dunkelheit heraus, die so leer und so kalt war, wie ich dachte, ertönt ein herzlicher Applaus. Ein Applaus, der auf die Bühne gerichtet ist, auf die Gestalten, die dort vor mir stehen, doch nicht an mich, der unbeteiligt an der Wand kauert.
Sie verbeugen sich und sie lachen wieder. Und kaum verging ein Herzschlag danach, so verschwanden sie auch von der Bühne und der Vorhang schloss sich.
Wieder in seinem Schatten, eingesperrt vor dem, was da draußen liegt, bin ich.
Da ist das Licht wieder.
Ein Licht, das durch den Vorhang scheint und blaugrün schimmert.
Ich höre Stimmen. Stimmen, die von Freude geprägt sind.
So krieche ich durch den Staub zum Vorhang. Zu dem Vorhang, der immer so schwer und mächtig mir erscheint. Vor dem ich mich aus Ehrfurcht verstecke.
Zaghaft strecke ich meine zitternde Hand aus. Langsam öffne ich den Vorhang einen Spalt breit, gerade genug, dass meine Augen von dem einfallenden Lichte geblendet werden. Ehe sie sich daran gewöhnen und ich hinaus schielen kann.
Da sehe ich sie, die Gestalten, sie sind Menschen. Voller Freude unterhalten sie sich mit anderen Menschen. Sie lachen gemeinsam und reden. Ein Wirrwar entsteht.
So ist es also... Hinter dem Vorhang waren sie, und davor wartet jemand auf sie.
Auf jeden von ihnen wartet jemand.
Auf jeden, doch nicht auf mich.
Sie kommen, um sie zu begrüßen, um sie in die Arme zu nehmen, zu küssen, und zu schmusen, mit ihnen zu lachen und zu reden.
Sie kommen für jeden von ihnen.
Für jeden, doch nicht für mich.
Für jeden von ihnen sind sie da.
Doch für mich niemand.
Auf jeden warten sie.
Auf jeden, doch nicht auf mich.
So schließe ich den Vorhang und krieche zurück durch den Staub an meine kalte Wand.
Und dann öffne ich mich, um den staubigen Holzboden mit meinem Blute zu tränken, ehe ich dahin sieche und der Ort vergisst, dass ich einst existierte.

Ich will nur, dass jemand da ist, der auf mich wartet. Mehr nicht.
Denn für jeden ist jemand da, doch nicht für mich.
Ich werde vergessen,
Hinter dem Vorhang.


by
Lupus Terre
(DLNT)



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