Ich blicke in den Spiegel und blicke einem Dämon entgegen. Fies seine silbern weißen Zähne fletschend, es gleicht einem Lächeln, starrt er mir mit ebenso silbern weißen Augen entgegen. Einen Kopf kann ich nicht erkennen. Nur schemenhaft vermag ich einige Konturen seines Schädels wahrzunehmen, der Rest verschmilzt mit jener verfluchten Dunkelheit, wie jene Seele schwarz und verflucht ist.
Das Licht geht aus.
Und dennoch strahlen seine Augen und seine Zähne durch die Dunkelheit hindurch, fast als wäre dieser Dämon ein Drache, dessen Feuer weißes Strahlen ist.
Die Grenze zwischen den Spiegelwelten verschwimmt. Ich stehe ihm gegenüber. In seine ausdruckslosen Augen starrend, spüre ich, wie sein eisiger Atem meiner Haut entgegenströmt.
Ich erzittere nicht vor Angst. Standhaft stur und ausdruckslos blicke ich ihm weiter entgegen, so stur wie sein unablässiges hämisches Grinsen. Speichel fließt zäh über seine spitzen Zähne. Ist er hungrig? Ich verstehe nicht, was er von mir will, was er bei mir sucht, weshalb er sich hinter das Glas meines Spiegels geschlichen hatte.
Plötzlich höre ich, wie er langsam leise lacht. Doch seine Miene verzieht sich dabei nicht. Sein Bildnis ist starr und leblos wie eine Maske.
Lange lacht er nicht, doch ertönt eine Stimme, die von ihm zu kommen scheint, in meinem Geist, sie sagt:
"Ich bin du."
Dann lacht er wieder, als würde es ihn amüsieren mich rätselnd um seine Präsenz zu wissen.
Ich beschließe mein Schweigen zu brechen und lasse eine der Fragen, die in meinem inneren toben, nach außen ertönen:
"Wieso?"
Er ist still, scheint sich seine Worte zu überlegen und flüstert danach wieder in meinem Geist:
"Du hast mich geschaffen."
Die Dunkelheit benebelt meinen Verstand, seine Worte ergeben keinen Sinn für mich. So versuche ich mich auf das Wesentliche zu konzentrieren und frage ihn:
"Was willst du?"
Mit einem Lidschlag legt sich eine Lautlosigkeit um mich, wie ich sie vorher noch nie wahrgenommen hatte, und seine schwarzen Lippen ziehen sich über seine bedrohlichen Zähne hinweg. Ich spüre seinen Atem nicht mehr, sein Grinsen scheint vergangen zu sein und stattdessen tränkt ein stählerner, von kühler Präzision geschmiedeter Blick seine Augen.
Er scheint mir tief in mein Innerstes sehen zu wollen und ebenso zielen seine Worte in das Zentrum meines Geistes:
"Deinen Tod."
Plötzlich zerbricht sein Antlitz, als würde der Spiegel, durch den ich ihn ursprünglich erblickte, in tausende Teile zerfallen. Doch ich höre kein splitterndes Glas, sondern das tiefe, brummende Donnern und Knistern einer Armada aus Blitzen. Kaum ein Atemzug vergeht, ehe Schmerz, milliarden Peitschenhieben und Schwertstichen gleich, sich durch meine fleischliche Hülle hindurch bohrt und mein gesamtes Bewusstsein straft.
Der Halt unter meinen Füßen schwindet, ich breche zusammen, ich falle.
Der Boden, die Wände, meine gesamte Umwelt löst sich auf, wie ein Traum, an den man sich nur mit größter Anstrengung erinnern kann, und zerschmilzt rasant, sodass nichts weiter bleibt als pure Dunkelheit. Selbst das Gesicht des Dämons entreißt sich meiner Wahrnehmung.
Und ich falle.
Ich falle tief, endlos durch die Dunkelheit.
Orientierungslos frage ich mich, ob ich ewig fallen würde, oder ob diese Finsternis ein Zentrum hat, auf welches ich ungebremst zusteuere, ehe mich ein gnadenloses Ende erwarten würde.
Ich winde mich wie von Sinnen, versuche Halt zu finden und mich irgendwo festzukrallen. Doch ich greife in die Leere, egal wo ich hinsehe herrscht das Nichts und Chaos zeichnet mein Gesicht.
Eine Weile vergeht, ehe ich schwach in weiter Ferne unter mir eine langezogene Linie etwas Licht erkennen kann. Mit jedem Moment meines Falls wird es größer und größer.
Das Licht beginnt Gestalt anzunehmen. Es sind rundliche Körper, etwas deformiert, und leuchten nicht in einer einzigen Farbe. Verschiedene Grau- und Silbertöne vermag ich an ihnen zu erkennen. Jeder dieser Körper gleicht dem anderen. Sie sind ordentlich und in regelmäßigen Abständen innerhalb einer geraden Linie aneinandergekettet.
Irgendwann wird mir bewusst: es ist der irdische Mond, schier endlose Male geklont.
Die Sorge, auf einem dieser Monde aufzuprallen, kommt in mir auf, doch ob es Glück, oder Bestimmung ist, dass ich in Wahrheit zwischen ihnen vorbei weiter in die Tiefe der Finsternis hinabfalle, weiß ich nicht.
Ich versuche mich danach umzudrehen, um wenigstens etwas anderes als Schwärze bei meinem Fall mit meinen Augen fesseln zu können, doch ich kann mich nicht mehr bewegen und Falle weiter hinab, bis ich das Licht kaum noch in meiner Nähe weiß.
Und nun, nun höre ich das leise plätschern von Wasser. Mit Mühe und dank der leuchtenden Monde erkenne ich leichte, wandernde Reflektionen einer geschwärzten wässrigen und langgezogenen Oberfläche. Es scheint ein Fluss zu sein, der sich ebenso wie die Monde über ihm, in einer geraden Linie durch die unendliche Dunkelheit zieht.
Ungebremst falle ich auf ihn zu, versuche bereits meinen Atem in meinen Lungen zu fangen, sodass ich nicht darin ertrinken möge, doch kurz vor meinem unmittelbaren Aufprall mit diesem schwarzen Fluss, stoppt mein Fall plötzlich ohne erkennbaren Grund, als würden keine physikalischen Gesetze in dieser Schattenwelt gelten, spüre ich ebenso keine Trägheit und schwebe nun mit meinem Blick nach unten über dem Wasser.
Immer noch bin ich nicht im Stande mich nur im Geringsten zu bewegen, sodass mir nichts übrig bleibt, als meine Augen im schwarzen Wasser zu versenken.
Nach wenigen Sekunden, ich will es kaum wahrhaben, zeichnet sich eine Gestalt unter die unstete Oberfläche.
Es ist das Gesicht des Dämons, es sind seine toten silber weißen Augen, die mir wieder tief in mein Bewusstsein blicken, es ist sein hämisches Grinsen, welches seine tödlichen silber weißen Zähne mir zeigen, und sein leises lachen, welches meinen Hörsinn flutet und sein bedrohliches Flüstern, das mir sagt:
"Es ist soweit."
by
Lupus Terre
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