Freitag, 7. Dezember 2012

Laudatio ad Pater Waleri


Waleri Iwanowitsch N.: Vater, Bruder, Ehemann, Opa, Cousin, Onkel, Freund, Kollege.
Es gibt viele Bezeichnungen für diesen einen besonderen Menschen, von dem wir heute leider schmerzlich Abschied nehmen müssen.
Wir alle, die wir heute hier sind, sei es Familienmitglied, oder Freund, haben ihn als den Menschen, der er für uns war, geschätzt und geliebt.
Wir alle haben einen Teil unserer Zeit mit ihm verbringen dürfen und auf diese Weise seine Herzenswärme, seine Güte und seine Freundschaftlichkeit in uns aufnehmen können.
Wir alle haben wertvolle Erinnerungen von ihm, die wir nun festhalten müssen, damit wir ihn und unsere gemeinsame Zeit niemals vergessen.


Der Schmerz, der uns alle dadurch trifft, dass wir nun nie wieder unserer Zeit mit ihm teilen können, lässt sich nicht einmal ansatzweise angemessen mit Worten beschreiben. Weswegen es auch schwer fällt zu begreifen, was geschehen ist. Weswegen es auch schwer fällt in einer Realität zu leben, in der er nicht vorhanden ist. Weswegen es auch schwer fällt Abschied zu nehmen.
In einem Netz waren wir alle miteinander verbunden, dessen Basis Waleri war. Nun ist diese Basis verschwunden und geblieben ist ein unsäglich großes Loch, welches durch nichts zu füllen ist. Dieser tragische Verlust hat in uns alle ein solches Loch gerissen und es wird viel Zeit brauchen, bis diese Wunden vernarben und wir Frieden schließen können. Aber wir müssen Mut haben und Stärke beweisen, damit wir diese Zeit überstehen. Denn er hätte es sicher nicht gewollt, dass wir daran zugrunde gehen.
 

Für mich war Waleri mein Vater, ist mein Vater und wird immer mein Vater bleiben. Er war ein liebevoller Vater, der sich größte Mühe gab, damit es seinen Kindern gut geht. Seit meiner Geburt war er immer da, war immer um mich herum und es tat gut zu wissen einen solchen Vater zu haben. Umso härter ist es nun damit leben lernen zu müssen ihn nicht mehr um mich herum zu haben. 
Wir haben wundervolle Zeiten miteinander verbracht. Zeiten, die ich niemals missen wollen würde. Sicher haben wir uns auch einige Male gestritten, aber das gehört ebenso dazu und ist auch eine Erfahrung, auf die ich nicht verzichten will.
Mein Vater war ein guter Mann und er wollte stets, dass alle um ihn herum glücklich sind. Er war durch und durch ein Familienmensch. Alle Krisen haben wir gemeinsam durchgestanden, alle Probleme gemeinsam als Familie bewältigt. Und ich bin dankbar dafür. Ich bin dankbar für die Zeit, die ich mit ihm verbringen konnte, dankbar dafür, dass er mein Vater ist.
 

Mir war zwar – wenn auch widerwillig - bewusst, dass eines Tages der Zeitpunkt kommen würde, an dem ich da stehen würde, wo ich jetzt hier und heute stehe, den Verlust meines Vaters zu bewältigen hätte und eine Rede wie diese halten würde, aber ich hätte niemals erwartet, dass es so früh geschehen würde. Aber so ist der Lauf des Lebens nun mal. Es trifft einen immer genau dann, wenn man es am wenigsten erwartet. Man kann sich niemals richtig auf so etwas vorbereiten. Man kann niemals die richtigen Worte finden und erst recht ist es niemals einfach so einen Verlust zu verarbeiten. Aber es passiert leider und es ist wichtig, dass man damit zurecht kommt und daran nicht zerbricht.

Mein Vater ist 71 Jahre alt geworden und hat in seinem Leben viel erlebt. Er hat Kriegszeiten überstanden, Hunger und Krankheit überlebt, den Verlust enger Angehöriger verkraften müssen, aber auch viel Glück erfahren. Waleri hat vier Nachkommen in diese Welt gesetzt. Eine Tochter und drei Söhne. Zwei seiner Kinder haben sogar selbst schon Familien gegründet und ihm Enkel geschenkt. Sein jüngster Sohn, der Richard-Elijas, ist sechs Jahre alt. Ich erinnere mich noch gut, wie überglücklich mein Vater bei der Geburt meines Bruders war. Die Geburten seiner Kinder zählen wohl mit Abstand zu den besten Momenten, die er erlebt hatte.
Aber nun hat er uns verlassen. Und seine Kinder bleiben ohne Vater zurück. Auch seine Ehefrau – meine Mutter – ist geblieben und blickt schmerzlich auf eine Ehe von 22 Jahren zurück. Sie waren sich treu ergeben bis zum Schluss.
Waleri war aber nicht nur ein liebevoller Vater und ein geliebter Ehemann, sondern auch ein geschätzter Bruder. Er hat drei Schwestern, welche mit ihm aufgewachsen sind, viel mit ihm geteilt haben und ihn auch, so wie wir alle, sehr vermissen werden.
 

Waleri Iwanowitsch hat viele Jahre lang den Lehrerberuf ausgeübt. Er ist bei seiner Arbeit stets mit ganzem Herzen und Verstand vorgegangen. Seine Arbeit war ihm wichtig und das konnten alle merken, die von ihm unterrichtet wurden, oder mit ihm arbeiteten. Seine Arbeitskollegen haben ihn deswegen sehr geschätzt und weil mein Vater ein sehr freundlicher und herzensguter Mensch gewesen ist, hat er unter seinen Kollegen auch sehr viele gute Freunde finden können. 
Jeder einzelne seiner Kollegen, welche mit ihm Freundschaft schlossen, wird sicherlich eine einzigartige Erinnerung davon haben, wie er Waleri kennenlernte. Jeder von ihnen muss sich nun jedoch leider von ihm für immer verabschieden, aber wird ihn nie vergessen.
 

Es gibt noch so viel, das zwischen ihm und uns ungesagt geblieben ist, noch so viele ungelösten Dinge, für die er eine Lösung hätte haben können, und es gibt noch so viel, das er hätte erleben können, das wir gemeinsam hätten erleben können.
Waleri hatte auch noch viele Pläne für die Zukunft. Er wollte zum Beispiel seine Memoiren von den Erlebnissen seiner Vergangenheit niederschreiben, einen Roman verfassen und dann seinen Lebensabend damit versüßen voller Stolz mit anzusehen, was aus seinen geliebten Kindern werden würde. Es ist eine tragische Wendung des Schicksals, dass er dies nun zumindest im Diesseits nicht mehr erleben wird. Aber ich bin mir sicher: Wenn er irgendwie kann, so wird er uns vom Jenseits aus beobachten und auf uns Acht geben.


Im Verhältnis zu dem Alter, das die Menschen heutzutage erreichen können, und in Hinblick auf all jene Dinge, die noch offen geblieben sind, ist Waleri, mein geliebter Vater, viel zu früh und viel zu unvermittelt verstorben.
Doch muss man sich auch die Frage stellen, ob es dafür überhaupt jemals einen richtigen Zeitpunkt gegeben hätte, und ob man überhaupt jemals dazu bereit gewesen wäre ihn gehen zu lassen. Fest steht jedenfalls, dass alles seine Zeit hat, und uns das an Tagen wie diesen, an denen uns der geballte Schlag der Realität mit aller Härte trifft, schmerzlich bewusst wird. Aber wo ein Leben ein Ende findet, findet ein anderes seinen Anfang. So hat Waleri der Welt Leben geschenkt und diesen Leben Liebe und Güte gelehrt und es ist nun an uns, seinen Kindern, Verwandten und Freunden sein Andenken zu ehren und an unsere Kinder, Verwandte und Freunde weiterzugeben, was er einst an uns weitergegeben hat.
 

Mein Vater hat mich im Laufe meines Lebens viel gelehrt. Ich wäre wohl nicht der, der ich heute bin, ohne ihn. Und auch jetzt noch hat er mich etwas gelehrt, nämlich, dass es wichtig ist den Menschen, die einem wichtig sind, zu zeigen, dass man sie liebt beziehungsweise schätzt. Denn man weiß nie, ob es das letzte Mal war, dass man jemanden gesehen hat, nachdem man sich verabschiedet. Und auch, wenn es Streit geben sollte, so sollte man sich in Frieden verabschieden und zeigen, dass man den anderen trotzdem noch mag. Es müssen keine großen Zuneigungsfloskeln sein, aber ein tägliches „Ich liebe dich“, oder eine kleine Umarmung ist schon viel Wert. Denn sonst könnte man dann, wenn es bereits zu spät dafür ist, bereuen seine Zuneigung nicht gezeigt zu haben. Und das würde einen quälen.
Ich für meinen Teil hatte zum Glück noch diese Gelegenheiten, bevor mein Vater Waleri gegangen ist. Ich bin mir sicher es wäre viel schwerer für mich diesen Verlust zu ertragen, hätte ich diese Gelegenheiten nicht gehabt. Aber nun weiß ich, dass wir uns in Frieden verabschiedet haben und uns unsere Zuneigung gezeigt haben.
 

So sehr ich ihn geliebt habe, so sehr hat er auch mich geliebt, wenn nicht mehr.
Und so ist es bei allen. So sehr, wie jeder von uns ihn geliebt und geschätzt hat, so sehr hat er auch uns geliebt und geschätzt.
Zwar hat Waleri die physische Welt verlassen, aber wenn wir an ihn denken und nicht vergessen, was er uns auf unserem Weg durch das Leben mitgegeben hat, so wird er weiterhin da sein, und zwar in unserem Geiste und unserem Herzen.


Das ist es was wir wollen und tun sollten. Nicht den schmerzlichen Verlust betrachten, den wir durch seinen Tod spüren, sondern uns an die guten Dinge erinnern, an die glücklichen Zeiten, die wir mit ihm hatten. In seinem Andenken sollten wir alle damit Frieden schließen, dass er nun nicht mehr unter uns weilt, Frieden mit ihm schließen und den Frieden in uns finden. Denn nur so können wir ihn friedlich gehen und ruhen lassen.


So verneige ich nun mein Haupt vor dir,
lieber Vati,
Und knie vor dir nieder.


Ich bin dankbar für die schöne Zeit mit dir,
werde dich in Ehren halten.
Du bleibst für immer in meinem Herzen,
werde dich stolz machen.


Und vielleicht sehen wir uns bald wieder.
Ich werde dich immer lieben,
und nun ruhe in Frieden.



Lupus Terre



PS: Die Laudatio wurde von mir etwas überarbeitet, um Anonymität wahren zu können (habe den Nachnamen gekürzt bzw. herausgenommen).



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