Sonntag, 23. September 2012

Warum, Eduard?


Die wohl größte Frage, die sich alle stellten und teilweise noch stellen, nachdem Eduard von uns gegangen bist, ist die Frage: "Warum?"

Warum hast du es getan? Warum jetzt? Warum?

Auch ich habe mich das sehr lange gefragt, obwohl ich die Antwort darauf vielleicht schon wusste.


Im folgenden Text werde ich versuchen die Antwort darauf zu formulieren, sowie weitere "W-Fragen", die damit zusammen hängen, zu beantworten.



Warum?


Diese Frage ist von allen am schwierigsten zu beantworten, wenn es überhaupt jemals eine befriedigende Antwort darauf geben sollte.

Nach all den Gesprächen, die ich mit Menschen, die dich kannten, geführt habe, nach all dem intensiven Nachdenken und ermitteln, kann ich maximal eine Sicherheit von vielleicht 80% dafür angeben, dass ich richtig liege.
Die Unsicherheit dahinter ist vor allem damit begründet, dass Eduard und ich in den Monaten, bevor es geschehen ist, nahezu gar nicht mehr über dieses Thema geredet haben. Das wiederum hat einen anderen Grund.
Jedenfalls hat er sich diesbezüglich mir gegenüber verschlossen und mich in falscher Sicherheit gewogen.

Der Grund nun, warum er es getan hat, lässt sich leider nicht so einfach beantworten, wie sich die Frage stellen lässt. Man muss separieren und differenzieren, da mehrere Faktoren dabei in einem komplexeren Zusammenspiel eine Rolle haben.


Ich separiere zunächst in mögliche physiologische Faktoren und danach in die psychologischen:


Physiologie


Schlaf:

Schon als ich Eduard kennen lernte, fiel mir auf, dass er fast immer sehr müde war. Unausgeruht, als würde er zu wenig Schlaf erhalten. Wir hatten des Öfteren darüber geredet. In den Gesprächen darüber teilte er mir unter anderem mit, dass er schlafen könne, so viel er wolle, es würde nicht das Geringste bezwecken und er würde schon nach einigen Stunden des Wachseins "unbrauchbar" sein. So schlief er bereits sehr früh (beispielsweise um 18 Uhr abends) ein, wenn er es sich auf einem Sofa Zuhause bequem gemacht hatte, wie er mir berichtet hatte.
Innerhalb des letzten Jahres kamen wir auf die Idee, dass es eventuell daran liegen könnte, dass er eine gestörte bzw. fehlende REM-Phasen - oder Tiefschlafphasen - Schlaf hatte, in welchen sich ein Mensch am intensivsten erholt. Wir kamen auf diesen Schluss, da Eduard berichtet hatte, dass er überhaupt keine Träume habe und sich nach dem Schlafen nie wirklich erholt gefühlt hatte.

Die Konsequenz: Alles, was man im Alltag durchlebt wirkt viel anstrengender, wenn man müde ist. Und die damit verbundenen Unlustgefühle werden intensiviert.
Deswegen ist mangelnder bzw. schlechter Schlaf ein Faktor, der u.A. Depressionen begünstigt.

Eine nebensächliche Anmerkung: Ich hatte versucht Eduard dazu zu bewegen ein Schlaflabor aufzusuchen und sich untersuchen zu lassen. Ich hatte sogar welche für ihn herausgesucht und war bereit Termine für ihn zu machen. Leider hatte er sich dagegen gestellt.


Kopfschmerzen:

Eduard klagte praktisch täglich über permanente Kopfschmerzen, die ihn oft auch an konzentriertem Nachdenken hinderten. Wo die Ursache dafür lag, ist mir bis heute nicht bekannt. Möglicherweise aufgrund des gestörten Schlafes, eventuell auch weil seine Flüssigkeitsaufnahme sich in sehr engen und unterdurchschnittlichen Grenzen hielt, aber vielleicht hatte dies auch gänzlich andere Gründe.
Jedoch hatte er sich deswegen einst untersuchen lassen. Er suchte einen Neurologen auf, welcher lediglich herausfand, dass sein Blut etwas zu dickflüssig war, aber ansonsten alles in Ordnung sei.

Die Konsequenz: Permanente Kopfschmerzen rauben einem sowohl Energie, als auch Nerven. Sodass es zu einem zusätzlichen Verlust von alltäglichem Antrieb kommt. Es wirkt sich somit ähnlich aus wie seine stete Unausgeruhtheit.



Psychologie


Allgemeine Antriebslosigkeit:

Es war bekannt, dass Eduard zu vielen Dingen oft "keine Lust" hatte. Besonders, was das tägliche Vollführen eines schier "grauen" Alltagstrotts anbelangte. So mochte er es beispielsweise nicht früh aufzustehen, um zur Schule zu gehen, da er es als überflüssig empfand. Überflüssig teilweise deswegen, weil er am liebsten direkt studiert hätte, anstatt in lauter Fächern seine "Zeit abzusitzen" (wie er es formuliert hatte), nur damit man dann die offizielle Hochschulreife erhielte. 
Die Gründe dafür, dass es ihm an Antrieb fehlte, der ihn durch das Leben hätte treiben können, liegen teilweise in der Physiologie (siehe z.B.: Schlaf), teilweise aber auch an seinem Menschheits- und Weltbild, wozu ich später in diesem Eintrag komme.

Die Konsequenz: Hat man keinen Grund, oder gar ersichtlichen Antrieb, jeden Tag aufzustehen und zu erfüllen, was von einem erwartet wird, oder was man sich vorgenommen hat, entsteht ein grundsätzliches Unlustempfinden am Leben und jeglichen daraus abgeleiteten Tätigkeiten.


 
Menschheits- und Weltbild:
Eduards Menschheits- und Weltbild war überwiegend negativ geprägt. Zwar kann man nicht direkt sagen, dass er ein reiner Misanthrop war - also jemand, der die Menschheit aus tiefstem Herzen verachtete, allerdings jemand, der der gegenwärtigen Entwicklung der Gesellschaft sehr pessimistisch gegenüber stand.
Er verabscheute erheblich viele Verhaltensweisen, die für einen Großteil der Menschen leider unwiderlegbar typisch sind. Exzessive Handlungen primitivster Triebe, waren dabei nicht einmal der größte Kritikpunkt, den Eduard gegenüber der Gesellschaft hatte. Vielmehr waren es die übergeordneteren komplexeren dunklen Seiten der Menschheit, die sich tagtäglich überall auf der Welt begeben. Damit ist beispielsweise der weit verbreitete Egozentrismus - besonders innerhalb der modernen Konsumgesellschaft - gemeint, der schon seit Jahrtausenden ein großes Übel der Menschheit ist und sie zu hinterhältigen, verabscheuungswürdigen Taten treibt. Deswegen paraphrasierte er - meiner Ansicht nach zurecht - den gegenwärtigen Gesellschaftstypus als "Ellbogengesellschaft", die mit einem stetigen Werteverlust einhergeht.
Dies resultierte keineswegs aus einer übermäßigen Interpretation der Gegenwart, sondern beruhte auf nüchterner Analyse umgebender Geschehnisse, sowie dem Weltgeschehen. Er ist auch einer der Menschen gewesen, der dies nicht ohne weiteres akzeptieren wollte - geschweige denn konnte. Anders als andere wollte er sich nicht in süßen Illusionen wiegen, und den Rest der Welt vergessen, jedoch ließ er diese Dinge leider viel zu sehr an sich heran treten (dazu später mehr in: "Empathie").

Eduard war überdies nicht im Geringsten in irgend einer Form religiös. Im Gegenteil. Er lehnte es ab an Humbug zu glauben, den sich irgendwelche Menschen auf völlig irrationaler und unempirischer Ebene zusammensponnen, sondern pflegte eine streng rationale und wissenschaftliche Denkweise, was sich nicht zuletzt in seiner Begabung für Naturwissenschaften äußerte.
Demzufolge ist es nicht verwunderlich, dass er sich letztlich ebenfalls mit Gedanken zum Sinn und Zweck irdischen Lebens auseinander setzte und zu dem Schluss kam, dass es streng genommen keinen übergeordneten Sinn des Lebens gab.

Die Konsequenz: Ein negatives Menschheits- und Weltbild schlägt sich langfristig im Gemütsempfinden nieder. Man fängt an des Lebens müde zu sein, da man all das Übel, welches man in der Welt zu sehen meint, nicht ertragen möchte, bzw. kann. Es zehrt an den kräften so sehr, dass selbst ein starker Charakter daran zerbrechen kann, sollte er diese Gedanken nicht richtig verarbeiten.


Anmerkung: Dieses nicht ganz unberechtigt negative Bild, welches ich hier kurz zusammengefasst habe, ist wohl einer der größten psychologischen Faktoren, die Eduards Suizidalität intensivierten und - seinem Abschiedsbrief zufolge - auch der Hauptgrund für die letztendliche Umsetzung seiner Todessehnsucht.


Zukunftspesperktive:
Obwohl Eduard in intellektueller Hinsicht herrvoragende Aussichten auf spätere zukünftige Entwicklungen hatte (z.B. was das Studium und den Beruf betrifft), da er außerordentlich begabt in naturwissenschaftlichen und mathematischen Fächern war, was er auch selbst wusste und dahingehend viel geplant hatte, sah er gleichzeitig für seine Zukunft in dieser Gesellschaft schwarz. Dies resultierte hauptsächlich aus seinem negativen Mensch- und Weltbild. Er sah schlichtweg keinen Sinn darin in einer Welt zu leben und zu arbeiten, wo er so viel Leid mitbekäme, aber nicht mächtig genug ist, um es zu verhindern.
Ihm war vollstens bewusst, dass er selbst vermutlich eine in finanzieller Hinsicht sorglose Zukunft haben würde, hatte jedoch keinerlei Hoffnung darin, dass sich die Gesellschaft schnell genug so ändern würde, dass sie für ihn "lebenswert" werden würde.

Die Konsequenz: Hoffnung ist eines der wenigen Dinge, die einem Menschen ein gewaltiges Maß an Antrieb geben kann, fehlt diese jedoch, ist jemand also "hoffnungslos", kann dies Suizidalität auslösen, oder eben intensivieren, sollte sie bereits aus anderen (verwandten) Gründen bereits vorhanden sein.



Emotion & Empathie:

Alle Menschen, die mit Eduard zu tun hatten - mich eingeschlossen -, erlebten ihn als einen sehr einfühlsamen, friedliebenden und verständnisvollen Menschen. Er war ein idealer Gesprächspartner, mit dem man über seine Sorgen und Probleme reden konnte, ein ausgezeichneter Freund, der jemandem in allen Situationen des Lebens Halt geben konnte und dem man blind vertrauen konnte.
Wohl auch wegen dieser Eigenschaft öffneten sich ihm gegenüber Personen, die ansonsten stark introvertiert sind. Alle schätzten seinen Charakter sehr.
Sein Empathievermögen artete allerdings leider oft darin aus, dass er nicht bloß "Mitleid" hatte, sondern wortwörtlich "mit gelitten" hat. Diese Sensibilität, die mitunter dazu führte, dass er Weltschmerz hatte, war höchstwahrscheinlich auch ein großer Mitfaktor, der ihm zum Verhängnis wurde. Auf der einen Seite ein Segen, auf der anderen ein Fluch. Eduard hat sich nicht nur das Weltgeschehen, sondern vor allem Krisen aus seinem persönlichen Umfeld sehr zu Herzen genommen. Beispielsweise war er nicht in der Lage eine gewisse Distanz zu den Leidensgeschichten von Menschen zu wahren, mit denen er sich unter anderem in Suizidforen austauschte - oder er wollte es nicht.
Nicht nur seine Mutter, sondern auch ich, konnten merken, dass seine Gemütslage sich seit dem regelmäßigem Aufenthalt in Suizidforen und -chats signifikant verschlechtert hatte, was seine Depression und Suizidalität konsequenterweise nur verstärkte.

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist der andere Teil seiner Gefühlswelt.

Mir gegenüber behauptete er oft keine, oder kaum, Gefühle zu verspüren, außer große Unzufriedenheit und Unglückseligkeit mit dem Leben. Auch wenn man oft den Eindruck hatte ihn fröhlich zu erleben, so war es - wenn nicht gespielt, um niemanden merken zu lassen, wie es ihm tatsächlich geht - nur temporär und nicht konsistent genug, als dass er tatsächlich "wahres" Glück empfunden hätte, welches vielleicht seinem Leben mehr Farbe gegeben hätte und ihn davon hätte abhalten können den Weg zu gehen, den man nur einmal beschreiten kann.
Die negativen Aspekte, die er in seinem Leben wahrgenommen hatte, waren deutlicher und beständiger, als die Momente der Freude, welche sich rasch verflüchtigten.
Ganz wenige andere, sowie ich, haben zudem ein selbstverletzendes Verhalten bei Eduard wahrgenommen, welches er damit begründete, um "etwas anderes zu fühlen". Und den selbst zugefügten Schmerz empfand er als angenehm und "befreiend". Jedoch ist dies auch ein komplexeres Produkt mehrerer Faktoren seiner Depression.

Die Konsequenz: Die Menschen streben bewusst oder unbewusst nach Glückseligkeit. Erreichen sie diese nicht, verfallen sie in schwermütige, gar depressive Gemütslagen. Eduard hatte großes Unglück durch sein hohes Empathievermögen gespürt, was letztlich dazu beitrug, dass er außer diesem Leid kaum noch positive Empfindungen hatte, oder wahrnahm. Darüber hinaus hatte er diese emotionalen Regungen falsch verarbeitet. Statt sich ein wenig davon zu distanzieren und etwas konstruktives daraus zu entwickeln, ließ er sich davon stark affektieren, was destruktive Auswirkungen auf seine gesamte Psyche hatte. Man könnte sagen, dass er sich selbst und seinen Gefühlen schier wehrlos ausgeliefert war.



Letztlich Depression:

All diese Faktoren, die ich bisher zusammenfassend dargestellt habe - und nicht sicher bin, ob ich etwas ausgelassen habe - führten in ihrem komplexen Zusammenspiel dazu, dass man ihn als depressiven Menschen einstufen konnte, der rasch eine Suizidalität entwickelte. Er war das Leben leid und begann bereits früh damit sich mit suizidalem Gedankengut auseinander zu setzen, sodass es für ihn mit der Zeit zunehmend Gestalt annahm. Die depressive Grundstimmung und die damit verbundenen Faktoren, die er jeden Tag in sich hatte, wurden wohl eines Tages stark genug, um ihn endgültig dazu zu treiben einen längerfristigen Plan auszutüfteln, der ihm zu einen von ihm erdachten "günstigen Zeitpunkt" den Tod bescheren würde, was er leider als einzigen Ausweg aus seiner Misere sah und sich dort nicht reinreden ließ. Er wollte es so und ließ sich nicht aufhalten. Eduard meinte einst zu mir, dass er sich dafür hassen würde, dass er mitverantwortlich dafür wäre, dass es Menschen gab, die ihn mochten, da er wusste, dass diese sehr leiden werden, sollte er eines Tages gehen. Aber auch diese Reue, die er verspürte, war nicht stark genug, um den Todeswunsch in sich zu ersticken.
Leider...
Ich habe mein möglichstes getan, um ihn von diesem Weg abzubringen, aber bin gescheitert und denke, dass ich vielleicht hätte mehr tun sollen. Was auch immer dieses "mehr" gewesen wäre...



Es ist mir bewusst, dass selbst mein Versuch hier eine Antwort auf das große "Warum" zu geben, nicht zufriedenstellend sein kann. Denn hinter jedem Antwortpartikel steht wieder ein "Warum?", oder "Wieso? Woher kommt das?". Aber so könnte man das eine lange Zeit weiterführen, bis man irgendwann bemerkt, dass es im Nichts endet. Irgendwann wird ein Punkt erreicht, an dem es keinerlei plausible Antwort mehr gibt. Deswegen sollte man versuchen sich mit dem, was man an Informationen hat, "zufrieden zu geben", um sich eine weitere Serie aus Schmerz und Trauer zu ersparen und die Gegenwart akzeptieren, wie sie ist, sowie versuchen einen Weg zu finden in ihr zurecht zu kommen.



Im Folgenden nun die (möglichen) Antworten auf weitere Fragen.



Wann?


Die Entwicklung einer suizidalen Depression beginnt schleichend. Man kann nicht genau sagen wie lange es dauert, bis bei einem Menschen bestimmte Gedanken zu der endgültigen Entscheidung ausarten.
Von Eduards Suizidgedanken habe ich relativ früh erfahren. Bereits nach wenigen Monaten unserer Bekanntschaft kamen wir irgendwie auf dieses Thema. Allerdings dachte ich für eine lange Zeit, dass es nur Gedanken sein würden, die bei Gedanken bleiben würden, aber nicht zu Taten ausschreiten. Heute erkenne ich, dass ich leichtsinnig und naiv war.
Als ich ihn fragte, seit wann er diese Gedanken habe, also wann es angefangen hatte, antwortete er, dass er erstmals mit etwa zehn Jahren angefangen hatte ein negatives Weltbild zu entwickeln und es nicht lange dauerte, bis sich erstmals Gedanken, die sich mit dem Tod - mit seinem Tod - befassten, bemerkbar machten. Wie auch in seinem Abschiedsbrief - wenn man das so nennen kann - teilte er mir mit, dass er es sich bereits seit vielen Jahren nüchtern überlegte, da er diese Entscheidung nicht leichtfertig fällen wollte, sondern wohl durchdacht und nicht von wilden Gefühlsregungen geritten.

Das erste Mal, als er es (fest beschlossen) vorhatte, war am 23.01.2012, was er (glücklicherweise) letztlich doch nicht getan hatte.


Der Tag der Tragödie war der 16.05.2012. Es geschah vermutlich zwischen 12 und 17 Uhr nachmittags.


Heute vor fast exakt 4 Monaten begann seine Bestattungszeremonie.



Wo?

Er führte seinen Selbstmord in der Wohnung durch, in welcher er mit seiner Mutter zusammen lebte. Genauer: In seinem Zimmer. (Für weitere Informationen diesbezüglich, siehe: Animus de Lupus Terre - Schock)




Die Antwort auf die folgende Frage sollten Sie, sehr verehrter Leser, sich nur durchlesen, wenn Sie einen stabilen Charakter besitzen, der es Ihnen ermöglicht die folgende Information zu verkraften. Ansonsten sollten Sie die Antwort auf die folgende Frage besser nicht durchlesen.


Wie?

Eduard hat sich mittels KCN (Zyankali - auch bekannt als "Blausäure") umgebracht. Er hat es sich den Ermittlungen zufolge selbst hergestellt. Begabt in den Naturwissenschaften war er schließlich, sodass dies wohl keine allzu große Herausforderung für ihn gewesen sein muss. Er hat es offensichtlich als Dampf eingeatmet.
Die Wirkung von KCN gleicht einer Art Erstickungstod. Der Wirkstoff bindet irreversibel sich an Eisen(III)-Ionen eines Enyms, welches für die Zellatmung verantwortlich ist. Damit blockiert der Wirkstoff die Sauerstoffbindung und die Zellatmung kommt zum erliegen, wodurch Symptome einer Suffokation (Erstickung) entstehen.
Der Tod durch KCN ist somit qualvoll und unumkehrbar. Sollte man sich in letzter Sekunde dagegen entscheiden, ist es zu spät. Hat man es einmal eingenommen, gibt es kein Zurück mehr...



Auch aus der Antwort auf die letzte Frage resultierend, frage ich mich etwas, worauf ich keine Antworten gefunden habe und wohl auch nie finden werde: 

Was ging ihm in den letzten Minuten durch den Kopf, und was in den letzten Sekunden? 

Was wäre, wenn ich etwas anders gemacht hätte?

Letztlich werde ich die Antworten auf diese Fragen wohl niemals in Erfahrung bringen können. Ich weiß nicht einmal mit absoluter Sicherheit, ob ich mit meiner Antwort auf die Frage "Warum?" richtig liege. Aber was bleibt mir anderes übrig, als mich damit irgendwie abzufinden..?



Ich schließe die von mir geplante Reihe, die ausschließlich Eduard gewidmet ist, hiermit mit diesem Eintrag ab. Gewiss werde ich auch in Zukunft Werke verfassen, die ich gänzlich Eduard widme. Doch diese ununterbrochene Reihe aus 7 (8) Einträgen soll nicht nur eine Art Ehrung darstellen, sondern sollte auch mir bei der Verarbeitung meiner Trauer dienen. Ich hoffe, dass vielleicht auch andere, die diese Blogeinträge lesen, dem etwas abgewinnen können.



- Es wird kein Tag vergehen, an dem ich nicht an dich, Eduard, denken werde...


Lupus Terre


 

Sonntag, 16. September 2012

Akzeptanz


Heute, Eduard, hättest du Geburtstag.
Heute, mein lieber Freund, wärst du 19 Jahre alt geworden.
Heute, mein Bruder, bist du aber nicht hier.
Vor nunmehr 4 Monaten geschah es, als die Welt für mich unterging, weil du beschlossen hattest deinem Leben vorzeitig ein Ende zu setzen.
Die gesamte Zeit seitdem gleicht postapokalyptischen Zuständen - zumindest in der Gefühlswelt.
In den Menschen, die dir nahe gewesen sind, ist nur noch eine leblose, trockene Wüste voller Trümmer vorzufinden.
manche sogar, wissen nicht mehr, was das Wort "Freude" bedeutet.
Der Tag, jener Tag erschütterte uns und riss nicht bloß ein gewaltiges Loch in unsere Herzen, sondern verfärbte es auch schwarz.
Wir bluten, wir weinen, wir trauern still, aber wir lachen nicht.
Wir vermissen dich so sehr, dass wir manchmal denken, dich irgendwo munter umher wandern zu sehen. Doch dies stellt sich als bittere Enttäuschung dar, und auf den süßen Geschmack der Freude dich wiederzusehen, folgt ein erbitterter Schlag, der uns wieder zurück in die beklemmende Finsternis stößt, aus der wir versuchen zu entkommen.
Es ist schwer, hart, gewaltig. Keine Worte könnten diesen Zustand angemessen beschreiben. Keinem Feind würde ich das wünschen. Niemand sollte erleiden müssen, was wir wegen dir erleiden. Niemand kann einem wirklich helfen, sobald man in das Loch gestürzt ist. Man muss es alleine - aus eigener Kraft - schaffen. Und es braucht viel Zeit. Zeit, die für die einen endlos zu sein scheint.
Es nagt an den Kräften, bis man keine mehr hat, um zu trauern, und keine für irgendetwas anderes. Man sitzt nur noch da und während man vor sich hin vegetiert, schreitet der innere Zerfall voran, der mit schwelender Hitze auch die letzten Fragmente einer zerbrochenen Person - wie wir sie sind - zu verbrennen weiß, sofern man es nicht schafft sich dagegen zu wehren, sich nicht gegen die fortschreitende Zerstörung zu verteidigen weiß, nicht in der Lage ist wenigstens sich selbst zu retten, wenn man schon nicht mächtig genug ist, andere zu retten. Doch es ist schwer darüber zu stehen, noch schwerer ist es, überhaupt dort hin zu kommen, wo man vor dem Schaden, den du angerichtet hast, Eduard, auch nur in Ansätzen sicher ist.
Vielleicht ist es unsere Schuld, dass wir dich so sehr in unsere Herzen geschlossen haben. Aber vielleicht ist es doch deine Schuld, da du keine Rücksicht genommen hast.
Es mag sein, dass viele denken, diese Tat sei eine rein persönliche Entscheidung. Doch das ist sie nicht. Alle Menschen sind in einem komplexen Netz aneinander angebunden, fällt einer aus diesem heraus, sind besonders jene betroffen, die dieser Person am nächsten standen. Es ist also keineswegs eine rein persönliche Entscheidung, es ist eine egoistische, die verheerenden Schaden anrichtet.
Und doch hast du es getan. Zuerst will man dies nicht wahrhaben und denkt, es sei eine Illusion, eine falsche Realität, aus der man wie aus einem Traum bald aufwacht. Doch man wacht nicht auf, man hört nicht auf diesen Schmerz zu spüren, man stellt bitter fest, dass diese falsche Realität nicht falsch ist, man merkt, dass es wahr ist, so sehr man sich auch etwas anderes wünscht und letztlich muss man sich in dieser Realität zuirecht finden.

Ich für meinen Teil kämpfe nicht mehr dagegen an und versuche nicht mehr mich vergeblich an der Vergangenheit festzuhalten, an dem, was ich mal war, was wir mal waren.
Ich öffne meine Augen der Gegenwart, der Realität, wie sie ist.
Eine Realität ohne dich.
Ich akzeptiere mit großem Schmerz, der mit jedem Atemzug in meiner Seele sticht, dass du fort bist und nie mehr wiederkehren wirst.
Ich akzeptiere es, dass du mich und die anderen verlassen hast und ich nichts tun kann, um das rückgängig zu machen.
Ich akzeptiere die Realität, wie sie ist.
Wenngleich ich es niemals werde gutheißen können,
akzeptiere ich, dass du tot bist.

Ich werde dich stets in Erinnerung behalten, mein Freund,
und unsere gemeinsamen Erlebnisse niemals vergessen.


Lupus Terre