Mittwoch, 3. August 2011

Menschen und Mücken

Er tanzte ausgiebig in dem Rausch, in dem er sich dank einer Vielzahl an Cocktails befand. Um ihn herum eine Masse an Menschen. Platz war Mangelware. Es klebte Haut an Haut. Von Oben betrachtet war es eine einzige bunte Mischung von vielen Frauen und Männern, die im großen Ganzen, bzw. aus weiterer Ferne betrachtet, eine graue Masse waren. Die Körpertemperatur, der Schweiß, die Hitze der Geräte und der warmen Sommernacht, sowie eine ekelhafte Mischung diverser Parfüme, Deos, sowie Kosmetika, ergab, besonders mit dem des Schweißes und des Alkohols, eine noch abscheulichere Atmosphäre. Doch die Masse kümmerte dies nicht. Und ihn, der ja Teil dieser Masse war, auch nicht. Sie alle zeigten Formen von Vergnügen. Sie lachten, tanzten, tranken und aßen, küssten sich und rieben ihre Körper aneinander.
Das war nicht alles.
Es war laut. Furchtbar laut. Da laute Geräusche im Hintergrund waren, die von den Menschen als "Musik" bezeichnet werden, und alle lachten, war es so laut, dass jeder, der versuchte zu reden, so laut redete als ob er versuchte den Lärm der anderen zu übertönen. Und da jeder dies tat, wurde es insgesamt noch lauter.
Doch auch das kümmerte ihn und die anderen nicht. Nein, nicht im Geringsten. Sie lachten, tanzten, tranken und aßen, küssten sich und rieben ihre Körper aneinander.
Er ging mit ihr nach Draußen, um ungestört zu sein, um nicht schreien zu müssen, um sich mit ihr zu unterhalten.
"Was für ein Abend!", sagte sie.
"Oh ja, wundervoll. So eine Menge Leute. Da müssen wir ja fliehen, um für uns zu sein.", sagte er.
Beide lachten.
Sie hatte einen Cocktail in der Hand, dessen Rot im vollen Mondlicht gut zu erkennen war. Danach lehnte sie sich mit ihrem Rücken an die hölzerne Brüstung, die hinter ihr war.
"Du bist wunderschön.", sagte er.
Sie grinste nur und drehte sich um. Als sie einen weiteren Schluck nehmen wollte, raubte er ihr Glas und trank es aus.
"Hey!", rief sie.
Er schüttelte sich und sagte voller Euphorie: "Köstlicher Cocktail. Rot. Rot wie die Liebe. Rot wie Blut. Rot wie die schönste Rose, die mir je begegnet ist. So schön, wie du es bist."
"Willst du mehr?", fragte sie mit einem frechen Ton in ihrer Stimme.
"Ja, ich will mehr. Ich will nicht nur sehen, ich will fühlen!", antwortete er ohne auch nur kurz zu zögern, um seine Worte zu wählen.
Ein erneutes Lächeln huschte über ihr Gesicht, alsdann sie ihn aufforderte: "Na dann folge mir!".
Sie begaben sich weit genug von dem Gebäude, aus dem dieser Lärm drang, fort, um sicher zu sein, dass sie niemand bei dem, was sie vorhatten, stören würde.
Sie waren von hochragenden Gebüschen umgeben und er stürzte sich auf sie. Er küsste sie leidenschaftlich. Sie rieben ihre Körper aneinander, ehe sie sich die Kleidung von den Körpern rissen und miteinander verschmolzen, für eine Weile jedenfalls.
Das Mondlicht schien auf sie. Und in jenem Mondlich tanzte ein Schwarm winziger Punkte.
Bei näherer Betrachtung konnte man ausmachen, dass es sich um Mücken handelte, die über den Köpfen der Menschen kreisten.
Auch sie tanzten. Sie tanzten im Mondlicht. Ihre Musik war der Wind, der sich in mäßigen Böen offenbarte. Auch die Mücken gerieten immer wieder aneinander. Bloß redeten sie nicht. Ihre Sprache war der Instinkt und das surrende Geräusch ihrer winzigen schlagenden Flügel.
Eine Mücke traf auf die andere. Auch diese Mücken verschmolzen miteinander, zeitweise, wie die Menschen unter ihnen. Bloß waren sie nicht so voller Scham darüber, als dass sie einen Ort aufsuchen würden, an dem die anderen sie nicht mitbekämen. Nein, sie gaben sich ganz ihrer Natur hin. Sie waren schlichtweg nicht fähig über ihr Dasein, das von den von der Natur gegebenen Instinkten kontrolliert wurde, nachzudenken. Die Menschen allerdings schon, doch sie taten es nicht, wie es sich zeigte. Denn auch die Menschen tanzten in Massen. Haut an Haut. Und auch sie gaben sich ihren Trieben fast vollkommen ungezügelt hin. Ganz wie der Schwarm von Mücken.
Unter dem Schwarm gesellte sich ein weiterer Ton der bereits bestehenden Kakofonie hinzu. Es war das Stöhnen von ihr und von ihm.
Die Wärme, die von dort aufstieg, zog eine Mücke besonders an, auch wenn sie so schon verwirrt durch die Wärme war, die von den Menschen erzeugt wurde und die Umwelt verpestete. Mit ihren Geräten trugen sie dazu bei, dass es immer wärmer und wärmer wurde. So warm, dass andere Wesen sterben mussten. Doch das kümmerte die Menschen nicht.
Die Mücke schwirrte hinunter, um näher heran zu kommen. Um sich eine Mahlzeit, ein Getränk, zu verschaffen. Der Schweiß, der von diesen Menschen, die für die Mücke als Wirte in Frage kamen, leitete den Weg der Mücke.
Sie setzte sich auf eine der freien und ungeschützten Flächen der blanken Haut von ihr und stach ihren Halm tief hinein. Sie saugte, nein sie trank, ihr Blut. Der Cocktail der Mücke, der ebenso rot war, wie der Cocktail, den er und sie zuvor hatten.
Das Stöhnen hörte auf und mit heftigen Atemzügen, deren Lautstärke für den Menschen unerheblich war, aber die Mücke zum Beben brachte, neigte er sich zurück und erblickte die Mücke auf ihr.
"Elende Mücke!", grölte er hinaus.
Sie sagte mit etwas Panik in ihrer Stimme: "Mach sie weg!"
Er beherzigte ihren Wunsch und schnippte die Mücke hinfort.
Was für den Menschen unerheblich war, hatte für dieses Wesen, das im Verhältnis zu dem Menschen ein kleines und zerbrechliches Lebewesen war, fatale Auswirkungen. Dieser Stoß war so stark, dass die Mücke zum Einen eine große Strecke hinfort geschleudert wurde, und zum Anderen daran starb.
"Tja tut mir ja Leid du mickriges Biest, aber durch dein parasitäres und primitives Verhalten musst du sterben. Du bist zum Sterben auserkoren. Du hast wegen diesem Verhalten keine Existenzberechtigung", in seiner Stimme kam das Mitleid nicht zum Ausdruck, wohl aber Sarkasmus.
Er lachte und brachte seinen Körper wieder näher mit ihr in Kontakt, wohl den Anschein erweckend, dass es ihn nicht kümmerte, soeben ein Leben ausgelöscht zu haben.

Auch du, Mensch, hast keine Existenzberechtigung aufgrund deines parasitären und primitiven Verhaltens. Auch du, Mensch, musst sterben und darfst nicht leben, denn du schadest bloß. Aber klar ist es dir nicht, wie es der Mücke nicht klar ist, dass sie dir geschadet hat. Denn zu primitiv seid ihr dafür. Spätestens wenn etwas im Verhältnis zu dir, Mensch, viel größeres kommt, wirst du zerquetscht, oder hinfortgeschnippt, wie du es mit der Mücke tust. Aber vermutlich wirst du, Mensch, dich selbst ausrotten und aussterben, so wie die Mücken aussterben würden, hätten sie alles, was Blut pumpt, ausgesaugt. Sie würden sich selbst vernichten und aussterben, denn es gäbe nichts, was sie stoppen könnte und etwas verändern können sie nicht, denn zu dumm sind sie dafür, zu primitiv, zu triebgesteuert.
Stirb, Mensch!
Oder verändere dich zum Besseren!


by
Lupus Terre
(DLNT)